Ein vergessener Tunnel

Hinter den zahlreichen Türen zu Betriebsräumen befindet sich im U-Bahnhof Hermannplatz auch ein "vergessener" Tunnel. Es handelt sich um einen Fußgängertunnel der das westliche Zwischengeschoß mit dem direkten Karstadtzugang vom Bahnsteig der Nordsüdbahn verband. Nach 1945 wurde der Tunnel zum Lagerraum und geriet in Vergessenheit. Zum Verständnis der baulichen Situation erfolgt hier eine kurze Betrachtung der gesamten Zugangsanlage im westlichen Bahnhofsbereich.

Zum westlichen Zugangsbereich des U-Bahnhofs Hermannplatz zähle ich hier die beiden Zugänge von der Straße Hasenheide, das sich an diese anschließende Zwischengeschoß sowie die Freitreppe auf den Bahnsteig der Nordsüdbahn (heute U7). Eingeschlossen ist ebenfalls der direkte Zugang vom (Nordsüd-)Bahnsteig zum Kaufhaus Karstadt sowie der erwähnte Verbindungsgang zwischen dem Karstadtzugang und dem Zwischengeschoß.

Westzugang 1930 Westzugang im Ausbauzustand um 1930. An den Bahnsteigzugängen befinden sich Zugangssperren mit Passimetern.
Die Betriebsräume sind blau dargestellt. (Zeichnung: A. Mauruszat)

Westzugang 2000 Westzugang im Ausbauzustand um 2000. Der Verbindungsgang zwischen Karstadtzugang und Zwischengeschoß wurde am Karstadtzugang vermauert und wird mit Zugang vom Zwischengeschoß als Betriebsraum genutzt. Im Zwischengeschoß wurden zahlreiche Betriebsräume eingefügt (Raumaufteilung der Betriebsräume nicht maßstäblich). Die Treppe des Karstadtzugangs wurde für die Integration eines Aufzugs komplett umgabaut. (Zeichnung: A. Mauruszat)

Der Karstadtzugang

Der direkte Zugang vom Bahnsteig in das Untergeschoß des Warenhauses Karstadt war von vornherein beim Bau des U-Bahnhofs und das Warenhauses berücksichtigt worden. Er wurde mit der Eröffnung von Karstadt am 22.06.1929 in Betrieb genommen. Entworfen wurde der Zugang nicht von Alfred Grenander, der für den Rest der Nordsüdbahn-Halle verantwortlich zeichnet, sondern von Alfred Fehse.

Karstadtzugang 1929 Von Alfred Fehse entworfenes Zugangsbauwerk vom Bahnsteig der Nordsüdbahn direkt ins Untergeschoß des Warenhauses Karstadt.

Mit der Zerstörung des Kaufhauses 1945 wurde auch der Zugang nutzlos. Obwohl Karstadt 1951 einen Neubau errichtete, der in mehreren Etappen erweitert wurde, blieb der Zugang vorerst geschlossen. Erst 1976 wurde dieser praktische Zugang wiedereröffnet.

Die bisher letzten Veränderungen für den Zugang standen Ende der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts mit dem Einbau von Aufzügen an. Um einen Aufzug am südlichen Ende des brückenartigen Zugangs errichten zu können, wurde die gesamte Treppenanlage, die auf den Bahnsteig führte, abgetragen. Sie wurde durch eine andere Konstruktion ersetzt, die durch die größere Baumasse und den Verlust der Treppenrundung deutlich klobiger als das Vorgängerbauwerk wirkt. Eine unschöne Dominanz erreicht der eingebaute Aufzug in seiner Stahl-Glas-Konstruktion. Ein zweiter Aufzug, der vom Karstadtzugang an die Oberfläche führt, wurde relativ unauffällig in die Seitenwand des Ganges integriert.

Der Verbindungsgang

Die Existenz des Verbindungsgangs ist größtenteils in Vergessenheit geraten und auch in der Literatur, die sich mit dem U-Bahnhof Hermannplatz beschäftigt, findet er keine Erwähnung. Über die Funktion des Verbindungsganges zwischen dem Karstadtzugang und dem westlichen Zwischengeschoß kann man heute im Großen und Ganzen nur spekulieren. Eine verkehrliche Bedeutung im Zusammenhang mit der U-Bahn kann ausgeschlossen werden. Der einzige Zweck scheint eine kreuzungsfreie Fußwegverbindung von Karstadt zur "Neuen Welt" und der Hasenheide gewesen zu sein. Ein Wegweiser für das Karstadtgebäude verlassende Kunden zeigte jedenfalls mit "Ausgang Hasenheide" in den Tunnel.

Wegeleitsystem im alten Verbindungstunnel An der südwestlichen Spitze des Verbindungstunnels finden sich noch heute Reste eines ehemaligen Wegeleitsystems. Für das Ziel "Ausgang Hasenheide" wird dort in den Verbindungstunnel gewiesen.

weitere Fotos des Tunnels hier

Die Nutzungsdauer des Tunnels kann nur relativ kurz gewesen sein. Nutzungsbeginn war frühestens 1929 mit der Eröffnung von Karstadt und das Ende war spätestens 1945. Nach der Wiedereröffnung des Karstadtzuganges 1976 wurde der Verbindungsgang jedenfalls nicht wieder in Betrieb genommen.

Die Wände des Ganges waren komplett mit den schimmernden sonnengelben Fliesen des Nordsüdbahnsteigs ausgekleidet. An der Südwand des Ganges sind diese großteils demontiert, an der Nordseite jedoch fast vollständig erhalten.

Heute dient der Gang als Betriebsraum bzw. als Lager für Lampen und Gerüstteile.

Lager im alten Verbindungstunnel Allerlei Gerätschaften lagern heute im ehemaligen Verbindungsgang.

weitere Fotos des Tunnels hier

Das westliche Zwischengeschoß

Der oben beschriebene Verbindungsgang endet im westlichen Zwischengeschoß. Nachdem der Gang 1945 seine Funktion verloren hatte, wurde er zugemauert und mit einer Tür versehen.

westliches Ende des Verbindungsgangs Das westliche Ende des Verbindungsgangs, das im Zwischengeschoß endete, wurde nach 1945 zugemauert und mit einer Tür versehen. Die Mauer wurde mit völlig unpassenden Fliesen verkleidet. Später verschwand das Gangende im rückwärtigen Bereich zahlreicher Betriebsräume, die in das Zwischengeschoß eingebaut wurden.

Sein "Gesicht" hat das Zwischengeschoß aber erst in den 70er Jahren (wahrscheinlich) verloren. Zu dieser Zeit wurden zahlreiche weitere Betriebsräume in das Zwischengeschoß eingebaut. Als Begrenzung dienten die Säulen, die in die Wände der Betriebsräume integriert wurden. Das Zwischengeschoß hat mit diesem Einbau ca. 1/3 seiner öffentlichen Fläche verloren und damit natürlich auch seinen großzügigen Eindruck.

Vom Zwischengeschoß führen zwei Ausgänge an die Oberfläche. Sie erscheinen in den Gehwegen auf beiden Seiten der Straße Hasenheide. Beide Eingänge waren von Anfang an mit den bekannten Portalen mit den 10eckigen Leuchttafeln ausgestattet. Zu Beginn waren diese noch mit "Nord-Süd", später dann nur noch mit dem großen "U" beschriftet. Heute befindet sich zusätzlich zu dem "U" der Schriftzug "Bhf. Hermannplatz" auf der Tafel.



Dezember 2003
J. Axel Mauruszat



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