Ein Platz entsteht


Im Gegensatz zu vielen anderen städtischen Plätzen ist der Hermannplatz weder Keimzelle noch Zentrum eines Siedlungsbereiches. Vielmehr ist der Hermannplatz ein Stück Straße, das sich zwischen zwei Wegbiegungen (später Kreuzungen) zu einem Platz entwickelte. Ursprünglich war der Hermannplatz somit nur ein Stück des Weges von Berlin über Rixdorf nach Mittenwalde.

Hermannplatz 1834 Blick aus den Rollbergen von 1834 über den Rollkrug, den späteren Hermannplatz und den Kottbusser Damm nach Berlin (Ausschnitt aus einem Gemälde von Wilhelm Barth).

Der Rollkrug

Bereits als im August 1543 Richardsdorf (später Rixdorf) in den Besitz der Stadt Cölln überging, existierte an der Südseite des heutigen Hermannplatzes ein Wirtshaus. Hier wurden u.a. Pferde gewechselt. Um 1737 entstand dann an dieser Stelle das Wirtshaus Rollkrug. Der Name leitete sich von den südlich beginnenden Rollbergen, einem eiszeitlichen Höhenzug, ab. Mitte des 18. Jahrhunderts erhielt auch der heutige Hermannplatz den Namen Platze am Rollkrug. Lange Zeit stand der Rollkrug alleine am Platz. Erst mit der Gründerzeit entwickelte sich innerhalb weniger Jahrzehnte ein großstädtisches Ambiente und der Rollkrug wirkte fast schon als Fremdkörper. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts galt der Berliner Bezirk Rixdorf als Vergnügungsviertel und auch der Rollkrug genoß einen zweifelhaften Ruf. 1885 wurde der Platz am Rollkrug in Hermannplatz umbenannt, 1907 wurde der Rollkrug abgerissen und machte Platz für ein Geschäftshaus.

Rollkrug Der Rollkrug zur Jahrhunderwende ins 20. Jahrhundert an der Ecke Hermannstraße / Berliner Straße (heute Karl-Marx-Straße)

weitere Bebauung

Im "Situationsplan von 1846" findet sich neben dem Rollkrug einen weiteres Gasthaus am Hermannplatz. Etwa an der heutigen Ecke von Hermannplatz und Sonnenalle ist das Gasthaus "Zur guten Hoffnung" verzeichnet. Bereits im "Bebauungs-Plan der Umgebungen Berlin" von 1862 ist zwar an dieser Stelle noch ein Gebäude, aber kein Gasthaus mehr verzeichnet. Dafür befindet sich an der gegenüberliegenden Straßenseite (heute Hermannplatz Ecke Urbanstraße) ein "Gasthof zum Spreewald". Außerdem ist an der heutigen Ecke Hermannplatz / Hasenheide eine Apotheke verzeichnet.

B-Plan 1862 Ausschnitt aus dem gesüdeten "Bebauungs-Plan der Umgebungen Berlins, Abt. I" von 1862. Der Plan sah eine Verlängerung der Straße Hasenheide vor, die dann quer über den heutigen Hermannplatz geführt hätte.

Ende des 19. Jahrhunderts (etwa ab 1860) wurde der Platz auf beiden Seiten mit Mietshäusern bebaut. Zu dieser Zeit hatte der Hermannplatz weniger die Wirkung eines Platzes, als die eines breiten kurzen Straßenzuges. Bereits Mitte der 20er Jahre des 20. Jahrhunderts wurden die Wohngebäude auf der Westseite des Platzes aber wieder abgerissen, um dem U-Bahnbau und dem Warenhaus Karstadt Platz zu machen. Mit der Neubebauung der Westseite des Platzes wurde dieser auch gleich um 20 m verbreitert und erhielt seine heutigen Dimensionen. Das Warenhaus wurde im 2. Weltkrieg zerstört und nach dem Krieg wurde ein Neubau in vielen Teilabschnitten errichtet. Letzte Baumaßnahmen am Warenhaus fanden erst im Jahr 2000 statt. Bis auf das Gebäude an der Kreuzung zur Sonnenalle überstanden die Wohngebäude auf der Ostseite des Platzes den 2. Weltkrieg. An der Sonnenalle wurde nach dem Krieg ein eingeschossiger Flachbau errichtet. Erst Ende der 90er Jahre wurde dieser Flachbau aufgestockt. Es entstand ein Gebäude, das sich der Traufhöhe der benachbarten Gebäude anpaßt und in welches ein Hotel einzog.

Luftbild 1929 Luftbild des Hermannplatzes mit dem Warenhaus Karstadt von 1929

Mit dem U-Bahnbau und der Verbreiterung des Platzes erfolgte 1929 auch eine Umgestaltung der Verkehrsanlagen auf dem Platz. Tramhaltestellen und Fahrbahnen wurden neu geordnet. Dieser bauliche Zustand hatte bis Mitte der 1980er Jahre Bestand. Nachdem in West-Berlin Mitte der 60er Jahre die Straßenbahn stillgelegt wurde, lagen die Gleisanlagen jahrelang nutzlos auf dem Platz. Anfang der 80er wurden im Zuge einer Platzumgestaltung die Gleisanlagen entfernt. Am 27.04.1985 wurde dann der neugestaltete Platz mit einem Volksfest eingeweiht, der seitdem eine große Fußgänger- / Marktfläche bietet und auf dessen Mitte die Bronzeplastik "Tanzendes Paar" von Joachim Schmettau steht.

Hermannplatz 1970er Der Hermannplatz Anfang der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts. Die Gleise der Straßenbahn führen zwar noch aus der Hermannstraße auf den Platz, sind jedoch mehrfach durch Absperrungen unterbrochen. Die Haltestelle auf dem Hermannplatz wurde bereits zu einem Parkplatz umfunktioniert.

Luftbild 1990er Luftbild des Hermannplatzes mit seiner Umgebung Ende der 90er Jahre

Die Grenze

Der Hermannplatz war auch immer Grenze. Lief früher die Grenze zwischen Berlin und Rixdorf über den Platz, so war es später die Grenze zwischen den Bezirken Kreuzberg und Neukölln. Mit der Verbreiterung des Platzes wurde die Grenze von der Mitte des Platzes an die westliche Gebäudekante verlegt. Da das nach dem 2. Weltkrieg errichtete Karstadt-Gebäude in der ersten Etage über den Gehweg hinausragt, führt das zu der kuriosen Situation, daß das komplett auf Kreuzberger Gebiet stehende Warenhaus in den Neuköllner Luftraum hineinragt und Karstadt hierfür an den Bezirk Neukölln eine Gebühr für "Sondernutzung öffentlichen Straßenlandes" bezahlen muß (Ende der 90er Jahre 15.000 DM pro Jahr).

Die Straßen

Der Hermannplatz stellt sich heute als breite Spange zwischen zwei Kreuzungen dar. An der nördlichen Kreuzung treffen Urbanstraße, Kottbusser Damm und Sonnenallee auf den Platz. Die Urbanstraße wurde 1874 angelegt und trifft von Westen auf den Platz. Der Kottbusser Damm hieß bis 1874 Rixdorfer Damm. Dieser Straßenname geht bis ins 16. Jahrhundert zurück und die Straße ist eine der ältesten im Bezirk Kreuzberg. Die ältesten Aufzeichnungen der heutigen Sonnenallee stammen von 1890. Seit 1893 ist für die Straße der Name Kaiser-Friedrich-Straße bekannt. 1938 bekam die Straße östlich des Hermannplatzes mit Braunauer Straße (benannt nach dem Geburtsort Hitlers) einen nationalsozialistischen Namen. 1947 verschwand dieser wieder aus dem Straßenbild und der Straßenzug erhielt den Namen Sonnenallee.

Hermannplatz 1884 Auf einem Stadtplan von 1884 (hier ein Ausschnitt) ist von einem Platz noch nichts zu erkennen. Vielmehr präsentiert sich der heutige Hermannplatz als unauffälliger Straßenzug.

Die Kreuzung an der Südseite des Hermannplatzes ist der Treffpunkt der Straßen Hasenheide, Hermannstraße und Karl-Marx-Straße. Die Straße Hasenheide wurde bereits um 1678 als Weg angelegt und 1854 als befestigte Chaussee ausgebaut. Die Hermannstraße hat als Verbindung nach Britz ebenfalls eine sehr lange Vergangenheit und hieß bis Ende des 19. Jahrhunderts auch nur Straße nach Britz. 1712 wurde über die heutige Hermannstraße führend die Poststraße Berlin - Mittenwalde - Dresden eröffnet. Die heutige Karl-Marx-Straße ist (wie der Kottbusser Damm) eine der ältesten Straßen am Platz. Schon bevor die Poststraße nach Dresden über die Hermannstraße eröffnet wurde führte über die heutige Karl-Marx-Straße eine Poststraße nach Cottbus. Die Karl-Marx-Straße hieß bis 31.07.1947 Berliner Straße.

Eine Verkehrszählung von 1882 dokumentiert die steigende Bedeutung des Hermannplatzes. Man zählte 750 Fuhrwerke und 8.000 Personen (ohne die Fuhrleute) an einem Tag. Gut 100 Jahre später, am 11.09.1986, zählte man allein an der südlichen Kreuzung (Karl-Marx-Straße / Hermannstraße / Hasenheide) 1.580 Fahrradfahrer in 12 Stunden.

Der öffentliche Verkehr

Am 06.06.1885 wurde eine Pferdeeisenbahn-Linie vom Rollkrug zur Hermannstraße Ecke Knesebeckstraße (heute Silbersteinstraße) eröffnet. Betrieben wurde sie durch die "Pferdebahn der Gemeinde Rixdorf" die bereits gut zwei Jahre später (am 01.01.1888) in der "Großen Berliner Pferde-Eisenbahn A.-G." aufging. Die erste elektrische Straßenbahn über den Hermannplatz nahm am 01.07.1899 die "Südliche Berliner Vorortbahn A.G." in Betrieb. Die Linie war eine Ringlinie und führte über Rixdorf, Britz, Tempelhof, Schöneberg und Kreuzberg. Weil der Ring im südlichen Bereich durch unbewohntes Gebiet fuhr, verlieh ihm der Volksmund den Namen "Wüstenbahn". Bis 1930 verfügten alle am Hermannplatz mündenden Straßen über Straßenbahngleise und die Züge von 15 Linien hielten auf dem Platz. Seit den 1950er Jahren erfolgte jedoch in West-Berlin eine sukzessive Umstellung des Betriebes auf den Autobus. Am 01.10.1964 wurde die letzte Linie (Linie 27), die über den Hermannplatz fuhr, eingestellt. Auf der Achse Urbanstraße - Sonnenallee tangierte noch bis zum 02.05.1965 die Linie 95 den Hermannplatz. Bis zur Schließung des Betriebshofes Britz (1966) gab es aber noch Betriebsfahrten auf einigen Abschnitten. Seit der Wiedervereinigung gibt es nun wieder Bestrebungen die Straßenbahn aus dem Ostteil Berlins (z.B. Warschauer Straße) zum Hermannplatz zu verlängern, wobei eine Umsetzung in den nächsten Jahren nicht zu erwarten ist.

Tram 1952 Eine Straßenbahn der Linie 47 hält 1952 auf der Fahrt von Pankow nach Rudow auf dem Hermannplatz

1905 wurde eine Schwebebahn geplant, die vom Bahnhof Gesundbrunnen über den Hermannplatz zum Bahnhof Rixdorf (Südring) führen sollte. Die Planung wurde aber nicht umgesetzt.

In den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts gehen zahlreiche Omnibuslinien in Betrieb und der Hermannplatz entwickelt sich zu einem Busknoten. Mehrere Linien fuhren lange Strecken quer durch die Stadt. So wurde beispielsweise am 12.12.1921 die Linie A 29 von Pankow, Breite Straße zum Hermannplatz mit einer Länge von 14,4 km in Betrieb genommen.

Literatur

Cornelia Hüge: Die Karl-Marx-Straße - Facetten eines Lebens- und Arbeitsraums, Berlin, 2001

Holger Orb / Tilo Schütz: Straßenbahn für ganz Berlin (Geschichte - Konzeption - Städtebau), Jaron Verlag, 2000

Lothar Uebel: Karstadt am Hermannplatz - Ein gutes Stück Berlin, Hrsg.: Karstadt Warenhaus AG, 2000

Berliner Straßenbahn (von den Anfängen bis zur Gegenwart), transpress VEB Verlag, 1987



September 2002, Dezember 2002
J. Axel Mauruszat


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